Im Reich der Wolkenmenschen
- stundenblume3
- 10. März
- 3 Min. Lesezeit
Wir sitzen in einer Gondel und die Welt wird still. Viele Meter in der Luft gleiten wir über die Erde hinweg, während stetiger Regen auf die Kabine prasselt. Tief in ein unerreichbares, verwildertes Tal hinein, von Menschen fast komplett unberührt. Bromelien erklimmen die Bäume, ein brauner Fluss schlängelt sich am Grund, verwaschen von dem unablässigen Regen. Weit und breit nichts als undurchdringliches Grün. Fast senkrecht schweben wir hinab, nur um dann noch höhere Berge zu erklimmen. Stück für Stück steigen wir wieder hinauf, in die undurchdringlichen Wolken. Bis wir komplett von einem endlosen, orientierungslosen Weiß umschlossen werden. Kein oben und kein unten, kein vorne und hinten, nur grenzenloses Nichts - die Zwischenwelt. Schließlich durchbrechen wir die dichte Wolkendecke und landen im Reich der Himmelskrieger, den Wolkenmenschen. Kuelap.

Um die letzten Meter zu überwinden, steigen wir aus der Gondel und gehen die restliche Distanz zu Fuß. Wie durch eine Schleuse passieren wir eine mehrere Meter dicke Mauer und erreichen das Innere der altertümlichen Anlage. Hier oben auf 3000 Metern Höhe, auf dem Hochplateau eines der zahlreichen Gipfel, lebte das Wolkenvolk Chachapoyas. Kreisförmige Mauerreste (an die 400 Formationen!), angelegte Ebenen, Wachtürme, Ritualplätze, dazwischen krumme Bäume voller Bromelien, Heilkräuter und gewundene Trampelpfade. Links und rechts der Blick in tiefe Täler und auf benachbarte Berge, sofern die weiße Wolkenmaße das zulässt. Fühlt es sich so an den Olymp zu besteigen? Tiefe Faszination und eine seltsame Ergriffenheit breiten sich in mir aus.
Doch es regnet und da wir spät dran sind, haben wir nicht viel Zeit, um uns lange an einer Stelle aufzuhalten. Obwohl wir uns am Eingang noch einen dieser adretten Müllsack-Ponchos gegönnt haben, sind meine Füße und Beine innerhalb kürzester Zeit komplett durchnässt. Wir durchqueren die riesige Anlage und sind beeindruckt von ihrem Ausmaß und vom Ausblick. Treppchen hoch, Treppchen runter, wunderschöne Muster und Steinbilder, die in die verbliebenen Mauern eingearbeitet wurden. Was für ein Volk das wohl war, das hier gelebt hat? Wer baut eine Zivilisation an so unerreichbaren Plätzen auf?
Ich sehne mich danach Inne zu halten und reinzuspüren, doch Wetter und Zeit lassen das nun mal heute nicht zu.
So beenden wir unseren Ausflug in eine andere Welt, indem wir wieder in die Gondel steigen, die uns schwebend zurück in die "Wirklichkeit" bringt. Als letzte Passagiere, in letzter Sekunde sozusagen. Mitten auf der Strecke verdoppelt sich die Geschwindigkeit plötzlich, was eine leichte Unruhe bei mir auslöst. Was soll das? Vorhin verlief alles so konstant und gleichmäßig. Mein Herz klopft, Vertrauen in Technik ist sowieso nicht meine Stärke. Doch im Endeffekt passiert natürlich nichts. Scheinbar haben die Mitarbeiter das Ganze nur ein wenig beschleunigt, damit sie Feierabend machen können und der Bus, der bereits auf uns wartet, abfahren kann. Es sei ihnen gegönnt, denn immerhin haben wir den Eintritt von 30 Sol geschenkt bekommen.
So friedlich und schön das Ergebnis klingt, so holprig wars zu Beginn.
Am Tag zuvor hatte sich unser Gastgeber in Leymebamba noch erkundigt wie lange man die historische Anlage betreten kann. Daraufhin wurde uns versichert bis 14 Uhr. Als wir dann jedoch um kurz vor zwei hier ankamen, erfuhren wir zuallererst, dass das nur für die Gondel gilt und als zweites, dass man die Tickets für Kuelap nur Online im Voraus kaufen kann. Was für eine beknackte Logistik! Der nette Peruaner, der uns aufklärte, versuchte uns zu weiterzuhelfen, indem er seinen Kollegen oben Bescheid gab, auf uns zu warten. Doch weder mit meiner Visa Karte, noch mit seinem Account ließen sich die Tickets buchen, was dazu führte, dass ich wie ein wütender Kobold im Kreis gestapft bin und er wiederum seine Kollegen anrief, damit sie uns einfach so reinlassen. Diese Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft verwandelte Rumpelstilzchen sogleich zurück in eine Prinzessin und ich entschuldigte mich für den Groll, der ja vor allem auf die Fehlinformation vom Vortag gerichtet war.
So zogen wir in die weite Welt hinaus und ich ende mal mit dem Anfang.

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